Wohnungspolitik: Housing and Development Board (HDB)
Die Wohungspolitik von Singapore ist eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte. Ausgehend von den beengten Wohnraumzuständen in Chinatown oder in Serangoon bis hin zu den oft überfluteten Hütten außerhalb des Stadtkerns war die Situation Mitte des letzten Jahrhunderts ziemlich katastrophal. Mit dem Singapore Improvement Trust (SIT) von 1927 bis Ende der 1950er Jahre versuchte man eine Besserung mit dem Bau von öffentlich-geförderten Wohngebäuden, aber erst mit der Professionalisierung und der Gründung des HDB begann die stabsmäßige Planung nicht nur bei der Schaffung neuer Wohnungen, sondern der Entwicklung ganzer Stadtgebiete. Dazu gehört auch die Verkehrsinfrastruktur, Grünanlagen, Spielplätze, Schulen und andere Bildungseinrichtungen, Bibliotheken, Gesundheitseinrichtungen, Religionsstätten und die Community-Zentren, welche Freizeiteinrichtungen, wie Sportanlagen, Gemeinschaftsräume usw. beherbergen. Die Wohnungen werden sehr günstig an Einheimische verkauft, so dass heute die Wohneigentumsquote von Singapore bei 91% liegt und davon ein großer Anteil HDB-Wohnungen sind. Zum Vergleich: diese Quote beträgt in Deutschland gerade einmal 52%.
Ziel war einerseits der verantwortungsvolle Umgang mit den Wohnungen, was bei Eigentum ganz anders als bei vermieteten Sozialwohnungen ist. Das Interesse an der Modernisierung und dem Erhalt bei den Bewohner ist viel stärker als bei Mietwohnungen. Andererseits diente es auch Lee Kuan Yew zur Bildung einer nationalen Verwurzelung nach der Unabhängigkeit des Landes (siehe auch Blogpost vom 22.10.2019).
Die Vergabe und die Preise der Wohnungen werden nach festgesetzten sozialen Schlüsseln bestimmt, so dass beispielsweise junge Familien bevorzugt werden, um die Familiengründung zu unterstützen. Singles bekommen erst mit einem höheren Alter die Kaufberechtigung. Ein Wiederverkauf der Wohnung darf erst nach einer Sperrfrist von etlichen Jahren erfolgen. Schnelle Ver- und Kaufaktionen werden zudem mit hohen Steuern belastet. Das unterbindet weitestgehend Spekulationsgeschäfte. Außerdem dürfen auch Anteile des Rentenfonds (z.B. 5%) zum Wohnungserwerb herangezogen werden.
Neben dem Bau von Wohnungen kümmert sich der HDB auch um die Modernisierung und Erneuerung von Wohnungen. Die Kostenbeteiligung der Bewohner sind dabei zum Teil sehr klein, je nach Projekt und Umfang nur 1000 bis 5000 S$. Für absolut veraltete Wohnanlagen werden neue Wohnkomplexe gebaut, die Bewohner ziehen um und der alte Block wird abgerissen (siehe auch Blogpost vom 2.1.2020).
Was sind dabei die Erfolgsfaktoren dieser Politik? Der einzigartige Erfolg von günstigem Wohnraum im Eigenbesitz bis zur Modernisierung liegt einfach in der gesamtheitlichen Sicht und Planung. Es ist ein zentraler Punkt der Regierungsarbeit über Jahrzehnte hinweg. Gesetze verbieten auch die Spekulation mit Landbesitz, der Besitzer erhält festgelegte Sätze, wenn sein Land zum Bau herangezogen wird. Dort kann es nicht passieren, dass wie derzeit in München Landbesitzer Wohnungsbauprojekte seit Jahren blockieren, um einen höheren Preis zu erpressen.
In die faszinierende Welt des HDB tauche ich nun gleich mehrfach ein: zunächst besuche ich die HDB-Zentrale mit den verschiedenen Modellen der Neubauprojekte und der Planung ganz neuer Stadtgebiete, der HDB-Gallery mit Erklärungen zum Planungsprozess und schließlich besuche ich die Musterwohnungen. Außerdem habe ich das Glück, eines der renommiertesten HDB-Projekte das Pinneacle@Duxton besichtigen zu können. Letzteres und auch einen HDB-Hub-Besuch findet im Rahmen einer organisierten Tour der German Association Singapore statt. Sonst wäre ich auch nicht auf die Dachterrasse des Pinneacle@Duxton gekommen.
Fangen wir bei den Modellen der Neubauprojekte an. Die Entwicklung hier in Singapore geht seit der Ausrufung zur „Green City“ nicht nur zur Berücksichtigung von Grün- und Parkanlagen, sondern auch zur Begrünung von Dächern und Dachterrassen. Ich habe ja schon so einen Dachgarten in Admiralty besucht (siehe Blogpost vom 7.2.2020). Auch in der Stadteilausstellung spielt die Begrünung eine zentrale Rolle.
In der HDB-Gallery wird gezeigt, welche Planungsschlüssel (z.B. wieviel Schulen auf wieviele Wohnungen kommen) angewendet werden und wie im Laufe der Zeit Anpassungen gemacht wurden. Ausführlich geht man am Beispiel des Stadtbezirks Toa Payoh auf die Modernisierungmaßnahmen ein und wie die Systematisierung dazu erfolgt. Aber es werden auch Konzepte zum Wohnungsbau, z.B. in Baukastensystemen vorgestellt, die ein schnelleres kostengünstigeres Bauen ermöglichen. Apropos kostengünstig. Man muss natürlich beachten, dass der Aufwand des Wohnungsbaus durch das immerwarme Klima geringer ist. Eine Heizung braucht man nicht zu planen und die Treppenhäuser sind offen und nicht verglast. Auch kann man auf den Baustellen viele pakistanische oder andere ausländische Billigarbeitskräfte sehen, die wohl trotz geringerer Produktivität nicht unbedingt an der Kostenschraube drehen. Interessant ist zum Schluss in der HDB-Gallery eine Multimediashow mit aufgebautem Modell des neuen geplanten Stadtteils Tengah, in der die jeweiligen Einrichtungen und Zweckplanungen multimedial gezeigt werden.
Bei den HDB-Musterwohnungen bekommt man ein Gefühl für die Größe der 2- bis 5-Raum-Wohnungen. Interessant ist dabei ein Bad, welches sowohl vom Schlafzimmer als auch von der Küche betreten werden kann. Auch wurde zweckmäßig ein kleines Waschbecken auf dem Spülkasten der Toilette montiert. In der großen Wohnung wurde auch ein Smart-Steuerungssystem für alle elektrischen Anlagen installiert. Nicht fehlen darf außerdem der Bombenschutzraum, welcher die sensible Lage zum großen nicht immer friedlich gestimmten Nachbarn Malaysia widerspiegelt.
Das gemeinsame Mittagessen in der Tourgruppe nehmen wir in einem Hawker Centre direkt am HDB-Hub zu uns. Die Besonderheit dort ist, dass die Tablet-Regale zur Rückgabe des Geschirrs autonom im Raum umherfahren. Wenn etwas im Weg steht oder jemand etwas einräumt, so bleiben sie stehen, warten und fahren dann wenn frei ist wieder weiter.
Die Wohnanlage Pinnacle@Duxton thront über Chinatown und besteht aus 7 Wohntürmen. Es war das erste HDB-Objekt, was architektonisch international ausgeschrieben war. Die Besonderheit sind Parkanlagen auf der 26. Etage und auf dem Dach in der 50. Etage über alle Türme hinweg. Es sind die zwei längsten Himmelsgärten der Welt mit einer Länge von jeweils 500 m. Man fährt mit dem Fahrstuhl zum morgendlichen Jogging nicht mehr hinunter sondern rauf. Die Wohnungen sind sehr begehrt, gerade bei Expats, weshalb in manchen Türmen die maximle Ausländerquote von 8% bei der Wohnungsbelegung schon erfüllt ist und diese dann dort keine Wohnung mehr mieten oder kaufen dürfen (siehe auch zu den Quotenregelungen zur Mischung der verschiedenen Volksgruppen den Blogpost vom 15.11.2019). Die von uns besichtigte Wohnung von mir geschätzt (ich bin darin allerdings nicht so gut) ca. 70 qm kostet heute ca. 800.000 Euro, inkl. eines Bombenschutzraumes, den die Mieterin als Abstellraum nutzt. Die monatliche Miete liegt bei ca. 2.300 Euro, was aber im Vergleich zu den anderen Wohnungen im Komplex eine sehr günstige Miete darstellt und nur wegen der langen Mietdauer zu begründen ist. Der Blick aus der Wohnung im 42. Stock auf Chinatown ist schon beeindruckend und steigert sich erst noch weiter oben auf der Dachterrasse: von den „Alpen Singapores“ Bukit Timah bis zum Keppelhafen, dazu noch die unmittelbare Nähe der Skyline von Downtown. Man kann das alles unter Bäumen auf den Liegebänken genießen. Da diese Dachterrasse über alle Wohnblöcke hinweg geht, ist das Gefühl eines Parkspaziergangs nicht ganz unberechtigt. Und das alles quasi als sozialer Wohnungsbau in Singapore.
Hier die Eindrücke der HDB-Tour: HDB-Tour
Und hier die Planung für den Stadtteil, in dem ich derzeit wohne: Woodlands Regional Centre