Historische Gebäude der Politik in Singapore


Auf der Ostseite des Mündungsgebietes des Singapore Rivers befinden sich einige historische (und auch neue) Gebäude, die in der Politik des Landes eine große Rolle gespielt haben und noch heute spielen.
Zunächst ist das heutige Asian Civilisations Museum interessant. Die Ausstellung habe ich nicht besucht, weil ich schon 2018 im Museum war. Die Sammlung ist recht umfangreich, aber mit Bezug auf ganz Asien und somit mit weit gestreuten Ereignissen im Bezug. Eine Buddha-Stehle aus Indien hier, ein Porzellangefäß aus China da, eine Grabdekoration der Han-Dynastie dort. Wirklich interessant ist aber die Dokumentation und Ausstellung der Waren eines gesunkenen Handelsschiffes aus dem 9. Jh., dass aus China in Richtung Persien mit vor allem Keramik- und Metallobjekten aus der Zeit der Tan-Dynastie fuhr.
Das Gebäude wurde zwischen 1864 und 1867 gebaut und diente der neu ernannten Kronkolonie Singapore als eines der wichtigsten Regierungsgebäude. Große Teile der Kolonialverwaltung waren dort untergebracht. Nach der Unabhängigkeit 1965 blieb es Verwaltungsgebäude und war Sitz des Staatsbürgerschaftsregisters. Erst in den 1980er Jahren zog die Verwaltung in moderne Räumlichkeiten um. Danach wurde das Gebäude renoviert, als Museum genutzt, wobei das heutige Asian Civilisations Museum im Jahr 2003 einzog.
Weiter geht die Tour zum dahinter liegenden Former Parliament House and Annex Building (heute: The Arts House). Es wurde 1827 als Privathaus für John A. Maxwell, einem in Java ansässigen schottischen Kaufmann, fertiggestellt. Dummerweise hatte Maxwell nicht berücksichtigt, dass Raffles das Land als Verwaltungsgebiet reserviert hatte. Daraufhin vermietete Maxwell das Haus an die britische Kolonialverwaltung, die das Oberste Gericht und andere öffentliche Verwaltungen dort unterbrachten. Später verkaufte Maxwell das Gebäude. Nach dem zweiten Weltkrieg war das Sozialamt dort untergebracht, welches sich um die Nachkriegsnot der Bevölkerung kümmerte. Das Oberste Gericht war schon 1939 ins Nachbargebäude (heute Nationalgallerie) gezogen. Ab der Zeit der Selbstverwaltung 1955 war es dann das Parlamentsgebäude von Singapore. Die heutige „Arts House“-Bezeichnung lässt erst einmal nicht viel erwarten, es entpuppt sich dann aber als Highlight meines bisherigen Aufenthalts in Singapore. Zunächst gibt es einige Veranstaltungsräume, wobei in einem Gebäudeteil auch gerade ein Event stattfindet. Aber erste Überraschung war, dass das ehemalige Büro im Parlament von Lee Kuan Yew gekennzeichnet war und man es auch besuchen konnte. Und dann gegenüber, völlig unerwartet, der alte Parlamentssaal. Diesen hatte man so belassen und nur den in der Mitte befindlichen Debattiertisch und einige Parlamentsitze an der Spitze abgebaut. Und so konnte ich auf dem Parlamentsplatz sitzen, auf dem Lee Kuan Yew jahrzehntelang seine herausragende Politik im Parlament vorgetragen und erläutert hat. Was für ein bedeutender historischer Ort.
Danach geht es Richtung neuem Parlament, das natürlich nicht für Touristen so einfach zugänglich ist. Allerdings hat man an der Seite des Gebäudes eine kleine Ausstellung zur Geschichte und Funktion des Parlaments in Singapore eingerichtet, die ich auch besuche. Zu einigen Besonderheiten habe ich schon in anderen Blogpost geschrieben, wie der Einführung der „Group Representation Constituency (GRC)“ im Blogpost vom 15.11.2019. Die großen politischen und wirtschaftlichen Erfolge der Regierungspartei verschaffte dieser immer gigantische Siege bei den Wahlen. Deshalb wurde 1984 eingeführt, dass trotz der Wahlniederlagen die am besten abgeschnittenen Oppositionskandidaten als Abgeordnete ins Parlament berufen werden, sogenannte Non-constituency Member of Parliament (NCMP). Lee Kuan Yew äußerte sich zu dieser Regelung so: „...to dispel suspicions of cover-ups or alleged wrong-doings...“
Dann kommt die große Enttäuschung. Ich besuche nämlich den heutigen Supreme Court, also das Oberste Gericht. Im Gebäude sind drei für mich interessante Orte: Zunächst die Supreme Court Gallery, dann die Judicial Heritage Gallery und zum Schluss die Viewing Gallery. Die große Enttäuschung ist hierbei, dass im ganzen Gebäude Fotografierverbot besteht. Selbst eine Anfrage zu einer Erlaubnis nur für die Ausstellungen und die Viewing Gallery wird leider nicht positiv beschieden. Da geben sie sich wirklich kleinlich. Am Eingang wird der Fotoapparat in ein Schließfach verschlossen, während ich das Handy behalten darf. Auf den Widersinn angesprochen kommt von dem Sicherheitspersonal nur ein Schulterzucken und ein Hinweis, dass die Regelungen so sind. Man kann das natürlich auch positiv sehen, dass ich endlich etwas Widersinniges in diesem perfekten Land gefunden habe und dazu mit der Ablehnung der schriftlich angefragten Erlaubnis auch nicht zu verstehende Sturheit auf diese widersinnigen Regelungen. Ehrlich, dann hätte man die Heritage Gallery doch lieber im alten Supreme Court eingerichtet, welches ja jetzt die Nationalgallery ist. Dort ist genügend Platz und man hätte einige moderne Kunst als bunten Firlefanz gern rausschmeißen können.
Das Fotografierverbot war für die Supreme Court Gallery nicht so dramatisch, weil diese vor allem auf das Personal im Court einging. Die Judicial Heritage Gallery dagegen war mit viel Aufwand und Einsatz von Multimedia sehr interessant gestaltet. Die multimediale Darstellung von wichtigen Justizfragen und -fällen war auch interessant, unter anderem ein Fall, der in der Justizgeschichte von Singapore eine große Rolle spielte. So gibt es in Singapore aus den Erfahrungen der kommunistischen Unruhen in den 1950/60er Jahren inklusive der indonesischen Bombenanschläge durch das kommunistische indonesische Sukarno-Regime in Singapore mit einigen Toten Mitte der 1960er Jahre das Internal Security Act (ISA), ein Gesetz, welches die Inhaftierung bei Bedrohung der nationalen Sicherheit zulässt. Entscheidung dazu trifft der Präsident. Die juristische Auseinandersetzung dazu fand im Fall von Chng Suan Tze und die kommunistischen Mitstreiter 1988 statt und führte zu großer politischer Aktivität inklusive Verfassungsänderung. 
Abschließend machte ein Raum mit Techniken der Zukunft Eindruck. An durchsichtigen Screens und Projektionswänden wurden 3D-Beweismittelpräsentationen bis hin zum virtuellen Gerichtssaal und automatisierten Anklägern mittels künstlicher Intelligenz vorgestellt. Hier ein Foto aus der offiziellen Internetseite:


Zum Schluss fuhr ich noch hoch zur Viewing Gallery. Das ist der auffällige runde aufgesetzte Bau. Es sieht so aus, als ob auf dem Supreme Court ein Ufo gelandet wäre. Von dort hat man einen schönen Ausblick auf das Boat Quay am Singapore River. Wer also den Ausblick ohne Selfie und Foto dort genießen kann, dem empfehle ich den Besuch schon. Und auch hier das Foto von der offiziellen Internetseite:


Damit geht es nun zur Nationalgallerie gleich nebenan und ich werde gleich mit einer modernen Kunstprojektion konfrontiert. Im Boden unter Glasscheiben sind einige Dinge plaziert, die mit mehreren Spiegel zu einem tiefen Regal mit Säulen aus Büchern erweitert wurden. Das nennt sich dann „Stardust: Soaring Through The Sky's Embrace“. Ob jetzt der Sternenstaub durch meine Umarmung des Himmels zum schweben gekommen ist, kann ich letztendlich nicht beurteilen. Deshalb laufe ich gleich weiter zur Ausstellung „Listening to Architecture“. Hier erfährt man einiges über die zwei Gebäude, denn die Nationalgallerie besteht aus dem alten Supreme Court und der alten City Hall, die mittels einer modernen sehr zurückhaltenden Glaskonstruktion zu einem Gebäude verschmolzen sind, wobei die Stelle der Gebäude schon im 14. Jh. unter dem Königreich Temasek bewohnt war, derweil der Hofstaat des König auf dem benachbarten Fort Canning Hill residierte.
Aber auch schon Farquhar, den ich schon bei der SPF200 Ausstellung erwähnt hatte, residierte an der Stelle des alten Supreme Court. 1845 war das Gebäude im Bungalow-Stil vom englischen Händler Boustead als „The London Hotel“ betrieben. Um 1905 wurde dann ein großer massiver Bau das „Grand Hotel de l‘Europe“ errichtet, welches 1918 in Europe Hotel umbenannt wurde und 1932 Pleite ging. 1934 wurde das Gebäude abgerissen. Daneben wurde 1929 das City Hall fertiggestellt. Es ist im neoklassizistischen Stil konstruiert und sollte die Kraft und Würde des britischem Empire ausdrücken. An der Stelle des Hotels daneben wurde 1939 der Supreme Court fertiggestellt, welcher mit seiner Kupferkuppel (und einer kleineren Kuppel dahinter) und den korinthischen und ionischen Säulen nicht weniger mächtig daherkam. Als Vorbild zum Bau galt das Old Bailey Courthouse in London. Vom alten Supreme Court sind noch zwei Gefängniszellen erhalten, in denen die Gefangenen auf den Prozessbeginn warteten.
Dann ging es für mich zu der bedeutendsten Ausstellung in der Nationalgallerie. Die Exposition „Law of the Land“ enthielt so einige Überraschung bereit. Neben den wichtigen Gründungsdokumenten, die zur Gesetzgebung in Singapore während der Kolonialzeit geführt haben und die ich schon aus anderen Ausstellungen und Geschichtserörterungen kannte, erwarteten mich im letzten Raum Originaldokumente aus den 1960er Jahren. Zunächst war das der Briefumschlag, auf dem Lee Kuan Yew handschriftlich seine Eckpunkte zur Vereinigung mit Malaya bei den Verhandlungen in London geschrieben hat. Dieses Dokument ist ein Zeugnis von herausragendem diplomatischem Geschick von Lee, weil die Verhandlungen zuvor ins Stocken geraten waren. Er sicherte sich finanzielle Einnahmen aus den wirtschaftlichen Aktivitäten in Borneo zu und auch strenge Gesetze, um die Secret Societies (Mafia) in Singapore hart bekämpfen zu können. Tunku unterschieb die Punkte am 7.7.1963 im Ritz Hotel in London. Dann wurden auch die Dokumente zur Unabhängigkeit von Singapore gezeigt, sozusagen der Rausschmiss aus dem Staat Malaysia im Jahr 1965 und der handschriftliche Brief an Toh Chin Chye, dem damaligen stellvertretenden Prime Minister, der die Dokumente zunächst nicht unterzeichnen wollte, da er für Singapore keine Überlebenschance als unabhängiger Staat sah. Beide Ereignisse sind im Buch von Lee Kuan Yew „The Singapore Story - Memoirs of Lee Kuan Yew“ ausführlich geschildert und auch die dramatischen Situationen, die es in diesen Momenten gab. Deswegen waren die Dokumente so spannend für mich. In der Ausstellung unterhielt ich mich dann noch lange mit einem 67-jährigen Museumsangestellten und diskutierte mit ihm auch die heutige Entwicklung von Singapore.
In der Nationalgallerie besuche ich außerdem die Multimediashow „City Hall: If Walls Could Talk“. Dabei wird auf die politische Bedeutung der City Hall eingegangen. Auch auf dem bedeutenden Moment der Vereidigung der neuen PAP-Regierung mit der Vereidigung des Prime Minister Lee Kuan Yew 1959 in diesem Gemäuer. Alle Regierungsmitglieder hatten weiße Anzüge angezogen, um die Unbestechlichkeit und die Priorität des Kampfes gegen Korruption Ausdruck zu verleihen.
Nicht weit von der Nationalgallerie befindet sich auch der War Memorial Park mit dem Civilian War Memorial. Das 70 m hohe Denkmal für die Opfer des japanischen Krieges und der Besatzung war wohl der Geschmack der damaligen Zeit. Das Denkmal wurde vor allem den Opfer des Massakers von Sook Ching gewidmet (siehe auch Blogpost zur Ausstellung in der Ford Factory vom 28.2.2020), deren Massengräber man 1962 exhumierte. 1966 wurde das Denkmal gebaut und 1967 eingeweiht. Es beschließt meine Tour durch die beeindruckende Geschichte von Singapore.

Hier die Eindrücke von dem geschichtsträchtigen Ort neben dem Singapore River: Old Buildings