Hard Truths: Das veränderte Denken in der heutigen Wohlstandsgesellschaft
Die Sorge von Lee Kuan Yew über die Fortführung seines politischen Erbes kommt auch daher, dass die heutige Generation an Menschen in der existierenden Wohlstandsgesellschaft von Singapore aufgewachsen ist und viele hart erarbeitete Dinge als selbstverständlich annehmen. Gefahren für diesen Wohlstand werden übersehen und die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gesehen. Im Buch ist ein ganzes Kapitel von einer jungen Journalistin geschrieben, die auch das entsprechende Interview geführt hat. Ihren Ausführungen merkt man die Distanz zu Lee’s Gedanken an und sie grenzt sich bewußt in manchen Fragen ab. Sie kann mit ihren jungen Jahren gar nicht den Bogen spannen, dass die Lebenserfahrung von Lee Kuan Yew ein wertvolles Reservoir für ihre eigene Erkenntisse sein kann. Ihr merkt man an, dass sie stur auf ihre Gedankenwelt und Ideologie - stark am Political Correctness orientiert - beharrt. Auch wenn sie zugibt, durch die Interviews mehr Zugang zu der politischen und menschlichen Person Lee Kuan Yew bekommen zu haben. Es ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass die Menschen leider eben nicht von genialen Köpfen der Geschichte versuchen zu lernen und zu begreifen, sondern sie erst eigene Erfahrungen aus der eigenen ideologischen Gedankenwelt, wenn überhaupt, nur langsam herausbewegen können.
Dabei sollten gerade junge Menschen in Singapore daran denken, dass die guten Ausbildungsmöglichkeiten und der Wohlstand in Singapore gerade durch die Politik von Lee Kuan Yew geschaffen wurde. Die Grundlage dafür bildet laut Lee vor allem Sicherheit und Stabilität in der Gesellschaft: “The successful have forgotten that without the peace and stability that made their education, their job or their business opportunities possible, they would never have made it. But having made it, they think they made it on their own... They don’t owe the government or society anything. They are bright chaps, but how did they make it? Because we kept a balance in society. With peace, stability, we built up our education system and enabled the brightest to rise to the top.”
Seinen eigenen politischen Hintergrund musste Lee sich unter ganz anderen Umständen erarbeiten. Er hat in seinem Leben eben diese eigenen Erfahrungen intensiv durchlebt, was seinen Standpunkt in so vielen politischen Fragen geformt hat. Deshalb sieht er in seiner politischen Arbeit grundlegende gesellschaftliche Bedingungen, wie Sicherheit, Bildung, Gleichberechtigung usw., mit einer höheren Wertigkeit als jüngere Generationen: “I would not have been so robust or tough had I not had communists to content with... I say, all right, it’s a street fight, either you lose or I lose and that’s that.”
Auch auf das veränderte Familienbild und seiner konservativen Sichtweise angesprochen, kann Lee klar argumentieren. So bekommen unverheiratete Mütter bzw. Väter in Singapore keine Steuervergünstigungen oder andere Zuwendungen vom Staat für ihre Kinder. Lee begründet das mit Blick auf Großbritannien so: “The British way, which encourages single woman to have more children for more government subsidies, and leads to more irresponsibility...” Eine zukünftige Änderung dieser Politik schließt Lee aber nicht aus. Er ist Pragmatiker und ignoriert die gesellschaftlichen Änderungen nicht: “If we don’t face up to it we’re going to have a social problem later.” Und so betont er angesprochen auf die Veränderungen in der Gesellschaft: “I’m not liberal and I’m not conservative, I’m a practical, pragmatic person, always have been and I take things as they are. That’s that.”